Julia Dehnhardt: Ausländische Personen arbeiten, wenn im Aufenthaltstitel nicht steht, dass es verboten ist

Interview mit Julia Dehnhardt
Wir sprechen über das deutsche Aufenthaltsgesetz mit Rechtsanwältin Julia Dehnhardt, Fachanwältin für Familienrecht und für Migrationsrecht. Die Schwerpunkte ihrer Kanzlei liegen im Familien-, Migrations- und Arbeitsrecht.

Das Einbürgerungsrecht stellt bei der Rekrutierung von High Potentials ein Handikap dar. Wann sollte ich mir als Migrant einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zur Unterstützung holen?

Julia Dehnhardt: High Potentials, die nicht eingebürgert sind haben in der Regel einen der verschiedenen Aufenthaltstitel zum Zwecke einer Beschäftigung. Eingebürgert werden können auch hochqualifizierte Ausländer in der Regel erst nach einem gewöhnlichen und rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland von 8 Jahren. Ausnahmen gibt es nach 7 oder 6 Jahren bei besonderen Integrationsleistungen des Ausländers. Insbesondere bei der Ermessenseinordnung, ob und welche besonderen Integrationsleistungen vorliegen, um bereits nach 6 oder 7 Jahren eingebürgert zu werden, wie beispielsweise herausragende berufliche Leistungen, erfolgreicher Abschluss eines Studiums an einer deutschsprachigen Hochschule oder Fachhochschule oder einem Nachweis von Sprachkenntnissen, die mindestens das Sprachniveau B 2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens erreichen, kann und sollte die Unterstützung eines  (Fach)-anwalts oder (Fach)-anwältin für Migrationsrecht oder einem (Fach)-anwalt/-anwältin für Arbeitsrecht mit Interessenschwerpunkt im Migrationsrecht hinzugezogen werden. Besondere arbeitsrechtliche Kenntnisse sind bei Einbürgerungen nicht unbedingt erforderlich. Bei der einbürgerungsrechtlichen Frage nach der prognostischen Sicherung des Lebensunterhalts des Ausländers könnte der Arbeitsvertrag und etwaige Gehaltsbestandteile arbeitsrechtliche Kenntnisse und die Inanspruchnahme eines hierzu versierten Arbeitsrechtlers voraussetzen.

Gibt es eine unterschiedliche Rechtsprechung zur Erteilung einer Arbeitsgenehmigung zwischen Fachkräften (z.B. IT-Spezialisten) und gewöhnlichen Arbeitskräften aus dem Ausland?

Julia Dehnhardt: Welche Art von Aufenthaltserlaubnis zwecks Erwerbstätigkeit ein Ausländer beantragen kann, richtet sich nach den entsprechenden Vorschriften im Kapitel 2 Abschnitt 4 des Aufenthaltsgesetzes in Verbindung mit der Beschäftigungsverordnung.  Jeder Aufenthaltstitel muss erkennen lassen, ob eine Erwerbtätigkeit eingeschränkt oder unbeschränkt erlaubt ist. Ob ein Ausländer berechtigt ist erwerbstätig bzw. beschäftigt zu sein ergibt sich aus dem Aufenthaltstitel selbst. Zum Beispiel dürfen ausländische Ehegatten eines Deutschen in Deutschland bereits per Gesetz arbeiten. Ein ausländischer Mitarbeiter, der für einen bestimmten Arbeitsplatz einen Aufenthaltstitel zwecks Beschäftigung erhalten hat, darf beispielsweise nur dort arbeiten. Seit der Änderung des Aufenthaltsgesetzes durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz im März 2020 besteht die Erlaubnis zur Beschäftigung, es sei denn aus dem Gesetz geht ein Verbot oder eine Beschränkung hervor. Kraft Gesetzes dürfen ausländische Personen arbeiten, wenn im Aufenthaltstitel nicht steht, dass es verboten ist. Durch Nebenbestimmungen in dem Aufenthaltstitel wird erkennbar, was erlaubt und was verboten ist. In der Aufenthaltserlaubnis steht dann der Vermerk „Erwerbstätigkeit/ Beschäftigung gestattet/ erlaubt“ oder „Erwerbstätigkeit gestattet /erlaubt beim Arbeitgeber XY bis …“. Es wird zwischen einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Beschäftigung für qualifizierte Fachkräfte und unqualifizierte Fachkräfte unterschieden. Der Unterschied zwischen den beiden Aufenthaltstiteln liegt im Wesentlichen darin, dass bei qualifizierten Fachkräften keine Vorrangprüfung erfolgt, also der Prüfung ob es vorrangige Deutsche und Aufenthaltsberechtigte gibt, die für die Erwerbstätigkeit in Frage kommen. Eine Sonderregelung gilt aktuell nach § 19 c Abs. 2 AufenthG in Verbindung mit § 6 BeschV für IT – Fachkräfte und im Bereich der Kommunikationstechnologie. Danach kann eine ausländische Person ohne Qualifikation oder Studienabschluss durch Vorlage einer ausgeprägten Berufserfahrung eine Aufenthaltserlaubnis erhalten (3- Jahre Berufserfahrung, nebst Vorlage von Schulungen und Prüfungen).

Ist eine solche Arbeitsgenehmigung zeitlich begrenzt oder unbegrenzt?

Julia Dehnhardt: Die Aufenthaltserlaubnis und die darin enthaltene Erlaubnis zur Beschäftigung wird zunächst zeitlich befristet für die Dauer von vier Jahren oder bei befristeten Arbeitsverhältnissen für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses erteilt (§ 18 Abs. 4 AufenthG Stand 1.3.2020). Einen unbefristeten Aufenthaltstitel (Niederlassungserlaubnis) kann der ausländische qualifizierte Mitarbeiter je nach Art der Beschäftigung entweder nach 4 Jahren, und bei einer inländischen Berufsausbildung oder Studium sogar nach 24 Monaten beantragen. (§ 18 c Abs. 1 AufenthG Stand 1.3.2020), wenn ein Arbeitsverhältnis besteht. Inhaber einer Blauen Karte EU können die Niederlassungserlaubnis nach 33 Monaten beantragen (§ 18 c Abs. 2 AufenthG Stand 1.3.2020). 

Nach welchen Kriterien beurteilt die Bundesagentur für Arbeit, ob ein Antrag auf Arbeitserlaubnis genehmigt wird?

Julia Dehnhardt: Die Zustimmung zur Beschäftigung durch die Agentur für Arbeit richtet sich nach § 39 AufenthG. Es wird zwischen einer qualifizierten Fachkraft und einer unqualifizierten Fachkraft unterschieden. Die Agentur für Arbeit prüft bei qualifizierten Fachkräften, ob ein inländisches Arbeitsverhältnisses vorliegt und ob die Qualifikation der Fachkraft ihn zur Beschäftigung befähigt und eine qualifikationsangemessene Beschäftigung vorliegt, und ob der ausländische Mitarbeiter nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare inländische Arbeitnehmer beschäftigt wird. Eine Vorrangprüfung findet nicht statt. Bei nicht qualifizierten Fachkräften prüft die Agentur für Arbeit ebenfalls die Arbeitsbedingungen, die Vorgaben bestimmter Berufe nach der Beschäftigungsverordnung und nimmt eine Vorrangprüfung durch. Vorrangprüfung beinhaltet die Prüfung, ob es nicht deutsche Arbeitnehmer oder Ausländer mit einem Aufenthaltsrecht in Deutschland gibt, die vorrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt haben. 

Macht es Sinn für Arbeitssuchende, die aus dem Ausland gekommen sind, gegen einen ablehnenden Bescheid Widerspruch einzulegen?

Julia Dehnhardt: Rechtsmittel gegen die Ablehnung eines nationalen Visums sind die Remonstration oder/ und die Klage vor dem Verwaltungsgericht in Berlin. Ob diese Aussicht auf Erfolg hat sollte in jedem Einzelfall konkret geprüft werden.  Bei einem Antrag auf Erteilung vom Inland kann Widerspruch und Klage und einstweiliger Rechtsschutz erhoben werden. Auch hier sollte die Einlegung eines Rechtsmittels nach vorheriger Akteneinsicht geprüft und mit dem Rechtsanwalt/ -anwältin besprochen werden.

Wer trägt die Kosten für einen Fachanwalt und mit welchen Kosten kann man in der Regel rechnen?

Julia Dehnhardt: Die Kosten eines Rechtsanwalts trägt derjenige, der den Rechtsanwalt beauftragt. Die Höhe der Kosten richtet sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, die sich auf ca. 500 € bis 2000 € belaufen können. Es ist ebenfalls möglich eine Pauschalvereinbarung oder eine Stundenhonorarvereinbarung mit dem Rechtsanwalt zu vereinbaren. Hierbei sind die Kosten in der Regel höher als die gesetzlichen Gebühren. Die Kosten eines Gerichtsverfahrens trägt grundsätzlich derjenige soweit er in dem Prozess unterliegt.

Deutschland verspricht Fachkräften aus dem Ausland eine sofortige Arbeitsaufnahme. Geht dieser Schritt wirklich reibungslos vonstatten?

Julia Dehnhardt: Ein Arbeitgeber ist aufgrund eines aktuellen und akuten Beschäftigungsbedarfs regelmäßig daran interessiert ausländische qualifizierte Fachkräfte sofort zu beschäftigen. Hierzu gibt der Arbeitgeber ein konkretes Arbeitsplatzangebot an den ausländischen Mitarbeiter ab, zur Vorlage bei der Auslandsvertretung, um das nationale Visum zur Einreise zwecks Erwerbstätigkeit bei der deutschen Botschaft zu beantragen. Trotz des neu eingeführten beschleunigten Fachkräfteverfahrens und den seit dem 1. März 2020 geltenden Regelungen laufen die Visaverfahren weiterhin schleppend. Die längere Verfahrensdauer bis zur Erteilung des nationalen Visums liegt zum einen an der zeitlich schleppenden Terminvergabe bei der deutschen Auslandsvertretung und dem gesetzlichen Beteiligungserfordernis der Ausländerbehörde und je nach Art des Aufenthaltstitels der Beteiligungsdauer der Agentur für Arbeit im Inland. Darüber hinaus neigt die Auslandsvertretung vermehrt dazu die Plausibilität einer Beschäftigung des Ausländers zu prüfen und verlangt die Vorlage von betriebswirtschaftlichen Unterlagen des Arbeitgebers, um zu prüfen, ob der Arbeitgeber in der Lage ist das versprochene Gehalt an den ausländischen Mitarbeiter zu zahlen und ob der Arbeitgeber tatsächlich einer Geschäftstätigkeit nachgeht, was vor allem kleinere Arbeitgeber und Start-Ups betrifft. Dies dient der Prüfung, ob ein Missbrauch vorliegt und das Arbeitsverhältnis nur zum Schein vereinbart wurde. Wenn der Ausländer das nationale Visum zur Erwerbstätigkeit/ Beschäftigung erhalten hat und nach Deutschland einreisen darf, ist er berechtigt sofort in dem beantragten Arbeitsverhältnis zu arbeiten. Der ausländische Mitarbeiter muss nach seiner Einreise in die Bundesrepublik innerhalb von 3 Monaten den Aufenthaltstitel bei der Ausländerbehörde beantragen, um seine Aufenthaltskarte zu erhalten.

Frau Rechtsanwältin Dehnhardt, vielen Dank für das Gespräch.

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