Lisa Balaster: Cockpit-Kameras können bei der Aufklärung eine markante Rolle zukommen

Interview mit Lisa Balaster
Wir sprechen mit Rechtsanwältin Lisa Balaster, Fachanwältin für Verkehrsrecht aus Hamburg, über wichtige Regelungen zum Straßenverkehr.

Das Verkehrsrecht als Teil des Verkehrswesens umfasst die Bereiche „öffentliches Recht“ und „Privatrecht“. Als Anwalt für Verkehrsrecht beschäftigt man sich aber vor allem mit „Verkehrssündern“, oder ist das ein Vorurteil?

Lisa Balaster: In meiner Arbeit als Verkehrsrechtlerin begegnen mir natürlich auch häufig Fragestellungen zum Bußgeldbescheid oder zum Fahrerlaubnisrecht. Jedoch geht es in einer Vielzahl von Fällen auch um die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen nach einem Unfall. Kommt es zu einer Kollision zweier Fahrzeuge im Straßenverkehr geht es zunächst um die Frage, wie die zivilrechtliche Schuldfrage einzuordnen ist. Sodann werden die Schäden beim Unfallverursacher bzw. der zuständigen KfZ-Versicherung geltend gemacht und der Höhe nach beziffert. Wird ein Fahrer verletzt so ergeben sich hieraus weitere Ansprüche wie beispielsweise Schmerzensgeld, Verdienstausfallschaden und Haushaltsführungsschaden.

Der Bußgeldkatalog wurde im April dieses Jahres erst verschärft, dann aber wie entschärft. Gab es plötzlich zu viele Vergehen und zu viel bürokratischen Aufwand, oder was war der Grund?

Lisa Balaster: Die „Entschärfung“ des Bußgeldkatalogs hatte schlichtweg einen Formfehler in der Gesetzgebung als Ursache. Da in dem Katalog der Verweis auf die notwendige Rechtsgrundlage fehlte wurde dieser nun in den ersten Bundesländern wieder zurückgenommen. Zum Tragen kommt dort jetzt wieder der alte Bußgeldkatalog, welcher insbesondere im Bereich des Fahrverbotes deutlich milder ausfällt.

Ist es erlaubt, dass ich als Unfallverursacher dem Unfallgegner einen Zettel an die Scheibe hänge, wenn dieser nicht auffindbar ist?

Lisa Balaster: Grundsätzlich reicht es keineswegs aus bloß einen Zettel an der Autoscheibe zu hinterlassen wenn ein Schaden verursacht worden ist. Vielmehr muss der Verursacher eine angemessene Zeit vor Ort wartet, um die Feststellungen zu ermöglichen. Das bloße Anhängen eines Zettels reicht hierzu nicht aus. Dies birgt vielmehr die Gefahr, dass der Verursacher Post von der Polizei bekommt und sich einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen Verkehrsunfallflucht gegenüber sieht.

Kann ich die Aufnahmen meiner „Dash-Cam“ (Cockpit-Kamera) als Beweis anführen, wenn es z.B. um die Schuldfrage bei einem Unfall geht?

Lisa Balaster: Hierzu hat der BGH im Jahre 2018 (Urteil vom 15.05.2018, Az. VI ZR 233/17) eine interessante Entscheidung getroffen. In dem dort zu entscheidenden Fall wurde gesagt, dass eine permanente und anlasslose Aufzeichnung des Verkehrsgeschehens im Cockpit eines Fahrzeugs zwar auf der einen Seite mit dem Datenschutz nicht vereinbar ist. Auf der anderen Seite wurde jedoch klargestellt, dass Dashcam-Aufzeichnungen, die ein Unfallbeteiligter von einem Unfall macht, als Beweismittel im Gerichtsprozess dennoch zulässig sind. Insoweit können den Aufnahmen einer Cockpit-Kamera bei der Aufklärung eines Unfallgeschehens eine markante Rolle zukommen.  

Wenn ich keine Rechtsschutz-Versicherung habe, muss ich dann einen Anwalt bezahlen, auch wenn ich Geschädigter bin, oder zahlt das die gegnerische Versicherung?

Lisa Balaster: Auch hierzu hat sich der BGH in gleich mehreren Urteilen klar positioniert und dem Geschädigten das Recht zugesprochen sich nach einem Unfall, welchen er nicht zu verschulden hat, einen Anwalt zu nehmen. Die entstehenden Kosten müssen von der gegnerischen KfZ-Haftpflichtversicherung als Teil des Schadens nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB übernommen werden. Grund hierfür ist der Gedanke, dem Geschädigten, welcher sich einer großen Versicherungsgesellschaft gegenüber sieht bezüglich seiner vielfältigen und teilweise rechtlich komplexen Ansprüchen eine gewisse Chancengleichheit zu gewähren.

Lohnt es sich, ein „Blitzerfoto“ anzuzweifeln und gegen den Bescheid von der Bußgeldstelle vorzugehen?

Lisa Balaster: Letztlich ist das Foto auf einer Anhörung oder einem Bußgeldbescheid immer das Produkt einer technischen Messung, der beispielsweise eine Geschwindigkeitsüberschreitung zugrunde lag. Da solche Messungen an einer Vielzahl von Stellen fehlerhaft sein können, geschieht es nicht selten, dass Bußgeldbescheide wegen entsprechender Fehler aufgehoben werden müssen. Es ist besonders bei mehrfachen Verstößen in der Regel ratsam einen Anwalt aufzusuchen welcher als ersten Schritt die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft anfordern wird. Liegt diese vor, werden die Verteidigungsmöglichkeiten erörtert und auch – durch Einholung eines Sachverständigengutachtens – geprüft, ob die Messung zu beanstanden ist.

Wenn ich acht Punkte in Flensburg angesammelt habe, verliere ich dann sofort meine Fahrerlaubnis? Für wie lange, und wie kann ich diese zurückbekommen?

Lisa Balaster: Wenn ein Betroffener 8 Punkte im Fahreignungsregister aufgebaut hat so wird ihm nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG der Führerschein entzogen. Dies erfolgt, da nach dem Gesetzeswortlaut der Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gilt. Die Neuerteilung darf von der Behörde frühestens nach einer Sperrfrist von 6 Monaten nach der Entziehung erfolgen. Nach Ablauf dieser Frist erhält der Betroffene den Führerschein allerdings nicht automatisch zurück. Hierzu muss ein Antrag auf Neuerteilung gestellt werden.

Frau Rechtsanwältin Balaster, vielen Dank für das Gespräch.

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