Markus Beyer: Soziale Verantwortung in der Lieferkette

Interview mit Markus Beyer
Markus Beyer ist Rechtsanwalt in der Kanzlei GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB in Frankfurt am Main. Mit ihm sprechen wir über die Ziele des neuen Lieferkettengesetzes.

Ein neues Lieferkettengesetz wurde vom Bundestag verabschiedet werden. Was ändert sich konkret?

Markus Beyer: Ziel des Gesetzgebers ist es, eine breite Verantwortung in der hier ansässigen Wirtschaft für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards im Produktionsablauf zu implementieren. Das Lieferkettengesetz betrifft bei seinem Inkrafttreten im Jahre 2023 zunächst nur Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten. Das sind momentan ca. 900 Unternehmen in Deutschland. Ab diesem Zeitpunkt werden diese Unternehmen auch gesetzlich verpflichtet, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Ein Bekenntnis zur Wahrung der Menschenrechte ist abzugeben und deren Einhaltung durch die Implementierung eines Risikomanagements zu überwachen. Dabei sollen jährliche und anlassbezogene Risikoanalysen durchgeführt sowie Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergreifen werden. Bei Verstößen drohen Geldbußen, die im Extremfall bis zu 2% des Jahresumsatzes des Unternehmens ausmachen können. Da es zunächst nur größere und große Unternehmen betrifft, die regelmäßig ohnehin umfassende Aufwände in diesen Bereichen betreiben, werden die unmittelbaren Auswirkungen wohl überschaubar sein. Nach und nach wird der Kreis der betroffenen Unternehmen allerdings weitergezogen.

Welche Auswirkungen hat das Lieferkettengesetz auf Zulieferer in Schwellenländern?

Markus Beyer: Wir gehen nicht davon aus, dass allein aufgrund der Einführung des Gesetzes zeitnah weitreichendere Folgen im Hinblick auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards verbunden sind. Man kann aber hoffen, dass dies ein Anstoß zur breiteren öffentlichen Diskussion gibt. Das Lieferkettengesetz gilt grundsätzlich nur für Unternehmen mit Sitz oder Hauptverwaltung in Deutschland. Allerdings hat es indirekte Auswirkungen für unmittelbare und mittelbare Zulieferer. So ist beispielsweise das verpflichtete Unternehmen im Rahmen seiner Risikoanalyse angehalten, entsprechende Risiken bei unmittelbaren Zulieferern, also direkten Vertragspartnern, zu ermitteln. Bei Risiken bei unmittelbaren Zulieferern sind angemessene Präventionsmaßnahmen zu implementieren. Das verpflichtete Unternehmen muss also schon bei der Auswahl seines Zulieferers menschenrechtsbezogene und umweltbezogene Erwartungen berücksichtigen und vertraglich absichern. Weiter sind Kontrollmechanismen, Schulungen und Weiterbildungen sowie die Überprüfungen der Kontrollmechanismen vorzusehen. Bei Risiken oder Verletzungen von Menschenrechten oder umweltbezogenen Pflichten müssen auch beim Zulieferer Abhilfemaßnahmen ergriffen werden. Bei anhaltenden bzw. schwerwiegenden Verstößen kann dies zum Abbruch der Geschäftsbeziehung führen. Diese Auswirkungen treffen mittelbar auch den Zulieferer des jeweiligen Vertragspartners, schließlich ist der Zulieferer des verpflichteten Unternehmens seinerseits zur Wahrung der Standards verpflichtet. So werden also die Verpflichtungen entlang der Kette weitergegeben. Wie die Überprüfung der Einhaltung der Bestimmungen des Lieferkettengesetz in der Praxis gewährleistet wird, bleibt allerdings abzuwarten.

Welche Effekte hat das Lieferkettengesetz für Arbeiternehmer in Deutschland?

Markus Beyer: Die Effekte für Arbeitnehmer in Deutschland sind wohl als gering zu bewerten. Arbeitnehmer allgemein, auch der Zulieferer, sind in Deutschland bereits recht umfassend geschützt. Es wird Menschenrechtsbeauftragte geben und im Rahmen des Risikomanagements ist ein unternehmensinternes Beschwerdeverfahren einzuführen. Beides wird wohl für den Beschäftigten in Deutschland wenige Veränderungen mit sich bringen.

Fallen auch mittelständische Unternehmen unter das neue Gesetz?

Markus Beyer: Das hängt von der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer ab. 2023 fallen nur solche Unternehmen unter das Gesetz, die mehr als 3.000 Arbeitnehmer beschäftigen. Ab 2024 liegt diese Schwelle dann bei 1.000 Beschäftigten, dies wird nach derzeitigem Stand rund 4.800 Unternehmen betreffen. Danach wird evaluiert, ob der Anwendungsbereich weiter angepasst wird.

Werden Konsumenten/Kunden von dem Gesetz beeinträchtigt, inwiefern?

Markus Beyer: Es ist nicht auszuschließen, dass durch den verwaltungstechnischen Mehraufwand die Produktions- und Lieferkosten bei den Lieferanten steigen werden. Ob solche Mehrkosten weitergereicht werden, bleibt abzuwarten. Dies wird wohl aber allenfalls zu einem geringen Effekt führen. Es lässt sich aber auch hoffen, dass die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards mehr und mehr Relevanz für die Kundenentscheidung selbst bekommt. Demnach würden auch Unternehmen, die nicht unmittelbar vom Lieferkettengesetz erfasst sind, aus eigenem Antrieb ein größeres Augenmerk auf die Wahrung der Menschenrechte und Umweltstandards innerhalb der Lieferkette legen. 

Herr Beyer, vielen Dank für das Gespräch!

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