Markus Mingers: Sämtliche Erhöhung der Kontogebühren sind nichtig

Interview mit Markus Mingers
Markus Mingers ist Rechtsanwalt und Gründer Mingers Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Mit ihm sprechen wir über Entscheidung des BGH bezüglich der Kontogebühren sowie Kontokündigungen.

Der BGH hat im April entschieden, dass Banken immer bei Änderungen der AGB eine Zustimmung der Kunden einholen müssen. Welche Auswirkungen hat das Urteil bezüglich der Kontogebühren?

Markus Mingers: Viele Banken und Sparkassen haben die Zustimmung ihrer Kunden zu schriftlich angekündigten Erhöhungen der Kontogebühren fingiert, wenn diese der Erhöhung nicht widersprochen haben. Der fehlende Widerspruch galt gemäß Nr. 1 Abs. 2, Nr. 12 Abs. 5 AGB-Banken und Nr. 2 Abs. 1-3, 17 Abs. 6 AGB-Sparkassen als Zustimmung. Der BGH hat entschieden, dass eine Klausel der stillschweigenden Zustimmung oder Zustimmungsfiktion zur Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht mehr zulässig ist. Diese Klauseln dürfen zukünftig nicht mehr verwendet werden. Jegliche Vertragsänderungen aufgrund dieser Klauseln sind unwirksam, was vor allem für die Einführung oder Erhöhung von Entgelten gilt. Im Klartext: Sämtliche Erhöhung der Kontogebühren sind nichtig.

Können sich jetzt alle Bankkunden über niedrigere Gebühren freuen?

Markus Mingers: Eine Zeit lang vielleicht, allerdings werden die Banken wahrscheinlich schnellstmöglich reagieren, um eine Vertragsänderung erneut durchzusetzen. Werden Kunden um Ihre Zustimmung gebeten, Kontoführungsgebühren zu erhöhen, können diese zwar ablehnen, könnten sich dann aber einer Kündigung des Kontos entgegensehen.

Was können Verbraucher und Unternehmen tun, die in der Vergangenheit zu hohe Gebühren gezahlt haben?

Markus Mingers: Kunden, die unwirksam erhöhte Gebühren zahlen mussten, müssen diese aktiv auf Grundlage des Urteils zurückfordern. Dafür gibt es mehrere frei verfügbare Musterschreiben. Der BGH beruft sich in seinem Urteil auf die EU-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, weswegen das Urteil auf jeden Fall alle Privatkundenverträge betrifft. Jedoch ist die Auslegung der Klauseln in Bezug auf Geschäftskunden noch nicht entschieden. Den Banken drohen Erstattungsansprüche der erhöhten Gebühren, die aufgrund von entsprechenden Klauseln gefordert wurden. Dabei sind sämtliche noch nicht verjährte Rückforderungsansprüche betroffen. Es gilt eine dreijährigen Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 1 BGB, so dass erhobene Gebühren ab dem 01.01.2018 betroffen sind. Die Geltendmachung muss allerdings bis spätestens Ende 2021 in verjährungshemmende Weise (Rechtshängigkeit) erfolgen. Diskutiert wird jedoch momentan, ob nicht sogar eine zehnjährige Verjährungsfrist gem. § 199 Abs. 3 Ziffer 1, Abs. 4 einschlägig ist. Der Rückerstattungsanspruch besteht auch gegenüber Banken, bei denen Kunden das Konto schon gekündigt haben. Des Weiteren könnte ein Anspruch auf Nutzungswertersatz bestehen, da das unrechtmäßig gezahlte Geld den Kunden in der Zeit nicht zur Nutzung zur Verfügung stand. Dazu kommen außerdem noch mögliche Ansprüche auf Verzugszinsen.

Einige Banken reagieren auf Klagen mit Kontokündigungen. Sind die Kündigungen rechtswirksam?

Markus Mingers: Grundsätzlich ist die Kündigung des Kontos zulässig, wenn dies im Vertrag so geregelt ist. Dementsprechend gelten jedoch auch die jeweiligen Kündigungsfristen.

Hingegen können für Sparkassen aufgrund der Sparkassengesetze andere Einschränkungen bestehen. Diese dürfen nämlich nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes kündigen. Nach Auffassung von Verbraucherzentralen liegt dieser nicht aufgrund der Rückforderung unrechtmäßig gezahlter Entgelte vor, weswegen hier eine Kündigung anfechtbar wäre.

Der Anspruch auf Rückerstattung besteht in jedem Fall weiterhin.

Die Finanzlobby an die Bundesregierung beklagt, dass den Banken hohe Belastungen drohen. Ist das Wolfsgejammer oder eine berechtigte Sorge?

Markus Mingers: Nach Schätzungen der BaFin könnte das Volumen der Rückzahlungen sich auf einen halben Jahresgewinn des gesamten Sektors belaufen. Dazu kommt das Stocken der geplanten Gebührenerhöhungen. Dies könnte die ohnehin schwache Profitabilität vieler deutscher Banken eine weitere Breitseite verpassen, da die höheren Gebühren sinkende Margen im Kredit- und Zinsgeschäft ausgeglichen haben. Allerdings sollte dafür nicht die Lösung sein, die Rückerstattungen zu verweigern oder mit Kündigung zu drohen, wie es sich gerade abzeichnet. Ansonsten werden sich die betroffenen Banken und Sparkassen einer Klagewelle gegenübersehen.

Könnten einige Banken durch das BGH-Urteil tatsächlich in finanzielle Schieflage geraten?

Markus Mingers: Viele Banken haben bereits Rückstellungen gebildet, um den Rückforderungen entsprechen zu können und sehen sich hohen Umsatzeinbußen gegenüber. Eine ernsthafte, konkrete Gefahr ist allerdings noch nicht abzusehen.

Herr Mingers, vielen Dank für das Gespräch!

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