Max Conrad: Die Meinungsfreiheit in Deutschland ist umfassend geschützt

Interview mit Max Conrad
Max Conrad ist Rechtsanwalt in seiner Kanzlei in Berlin. Mit ihm sprechen wir über Social-Media-Netzwerke, Grenzen der Meinungsfreiheit sowie rufschädigende Äußerungen.

Nach den gewaltsamen Ausschreitungen und der Stürmung des Kapitols in Washington haben die großen Social-Media-Netzwerke Tausende Accounts gelöscht. Ist dieser Eingriff in die Meinungsfreiheit aus Ihrer Sicht gerechtfertigt?

Max Conrad: Ja. Der Plattformbetreiber hat Hausrecht. Er muss es nicht dulden, dass seine Infrastruktur für Beihilfe zu Straftaten genutzt wird.

Äußerungen in der Öffentlichkeit sind in Deutschland nicht uneingeschränkt von der Meinungsfreiheit gedeckt. Welche Grenzen setzt das deutsche Recht der Meinungsfreiheit?

Max Conrad: Das sehe ich völlig anders: Die Meinungsfreiheit in Deutschland ist umfassend geschützt. Abgesehen von der Leugnung des Holocaust gibt es keine rechtlichen Grenzen, die für eine normale inhaltliche Auseinandersetzung der Bürger relevant wären. Grenzen, wie das Verbot des Aufrufs zu Straftaten, sind international nichts Besonderes und werden in Deutschland nur sehr (wie ich manchmal finde: zu) zurückhaltend geahndet.

Welche Maßnahmen können Personen und Unternehmen ergreifen, um gegen rufschädigende Veröffentlichungen im Netz vorzugehen?

Max Conrad: Sie können gegenüber der Presse eine Gegendarstellung verlangen, also die Geschichte aus ihrer Sicht schildern. Vor Beleidigungen sind sie durch das Strafrecht geschützt und dann gibt es noch das Mittel der Abmahnung / einstweiligen Verfügung, mit dem sie schneller als mit einer Klage Äußerungen untersagen lassen können.

Welche Anforderungen müssen für eine Einstweilige Verfügung gegen den Herausgeber von rufschädigender Berichterstattung erfüllt sein?

Max Conrad: Die Antwort auf diese Frage füllt ganze Regalwände, aber in aller Kürze gesagt sind drei Dinge wichtig: Man muss kurzfristig dagegen vorgehen. Wer erst wochenlang diskutiert, wird keinen Erfolg haben. Man sollte dem anderen (zum Beispiel über eine Abmahnung) Gelegenheit geben, selbst Stellung zu nehmen, denn sonst holt das der Richter nach, und die Verfügung verzögert sich. Und schließlich: Die Äußerung muss eine Tatsachenbehauptung sein („Peter hat nur noch einen Euro auf dem Konto.“). Reine Werturteile („Peter kann nur schlecht mit Geld umgehen“) sind von der Meinungsfreiheit geschützt.

Ist es möglich Plattformbetreiber wie Google oder Facebook gerichtlich zur Löschung von negativen Beiträgen zu zwingen? Wie kompliziert sind solche Verfahren?

Max Conrad: Ja, das ist möglich. Die Kollegen, die sich darauf spezialisiert haben, berichten zwar von Problemen mit Zuständigkeit, Zustellung und ähnlichen Dingen. Außerdem spielt die Meinungsfreiheit eine große Rolle, Stichwort Werturteil. Aber im Kern gilt: Wer in der Europäischen Union Geschäfte machen will, kann sich auf Dauer auch seiner Verantwortung für Fehlverhalten seiner Nutzer nicht entziehen.

Sind die Gesetze zum Schutz von Geschädigten rufschädigender Berichterstattung ausreichend?

Max Conrad: Aus meiner Sicht ja. Die Öffentlichkeit muss vielleicht manchmal noch genauer hinschauen und sich von „wo Rauch ist, ist auch Feuer“ verabschieden (denn Rauch kann heute jeder erzeugen), aber in Summe halte ich die Gesetze für ausreichend und sehe die Öffentlichkeit in Deutschland auf einen guten Weg.

Herr Conrad, vielen Dank für das Gespräch!

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