Oriane Lafargue: Zusammenarbeit von Fachanwälten für Arbeitsrecht und Migrationsrecht kann sinnvoll sein

Interview mit Oriane Lafargue
Wir sprechen mit Rechtsanwältin Oriane Lafargue, LL.M. Fachanwältin für Migrationsrecht, über Arbeitsmigration nach Deutschland.

Das Einbürgerungsrecht stellt bei der Rekrutierung von High Potentials ein Handikap dar.

Wann sollte ich mir als Migrant einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zur Unterstützung holen?

Oriane Lafargue: Prinzipiell ist es immer von Vorteil sich einen Fachanwalt für das spezielle Rechtsgebiet zu suchen, in dem man Unterstützung braucht. Allerdings bedeutet die Bezeichnung „Fachanwalt für Arbeitsrecht“ noch nicht, dass sich der Anwalt auch mit den Querschnitten von Migrations- und Arbeitsrecht auskennt. Dies sollte expliziert erfragt werden. Im Zweifel hat der Fachanwalt für Migrationsrecht eine bessere Kenntnis bzw. Routine von dem Verwaltungs- und Visumverfahren. Manchmal kann auch eine Zusammenarbeit von Fachanwälten für Arbeitsrecht und Migrationsrecht sinnvoll sein.

Gibt es eine unterschiedliche Rechtsprechung zur Erteilung einer Arbeitsgenehmigung zwischen Fachkräften (z.B. IT-Spezialisten) und gewöhnlichen Arbeitskräften aus dem Ausland?

Oriane Lafargue: Ja, die sogenannten MINT-Berufe werden im Einwanderungsrecht beispielsweise bevorzugt, da wir hier in Deutschland zu wenige Absolventen und einen zu hohen Bedarf hierfür haben. Gewöhnliche Arbeitskräfte (ohne spezielle Ausbildung) werden im Rahmen der Einwanderung oft daran scheitern, dass sog. bevorrechtigte deutsche Arbeitskräfte vorhanden sind. Diese Vorrangprüfung ist für die qualifizierte Beschäftigung aufgehoben, sie gilt jedoch weiter für den Zugang zur Berufsausbildung.

Ist eine solche Arbeitsgenehmigung zeitlich begrenzt oder unbegrenzt?

Oriane Lafargue: Aufenthaltstitel für Fachkräfte gemäß den §§ 18a  (Fachkräfte mit Berufsausbildung) und 18b (Fachkräfte mit akademischer Ausbildung) werden für die Dauer von vier Jahren oder, wenn das Arbeitsverhältnis oder die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit auf einen kürzeren Zeitraum befristet sind, für diesen kürzeren Zeitraum erteilt. Es besteht also auch eine starke Bindung an den Arbeitsvertrag. Die Blaue Karte EU wird für die Dauer des Arbeitsvertrages zuzüglich dreier Monate ausgestellt oder verlängert, wenn die Dauer des Arbeitsvertrages weniger als vier Jahre beträgt. Zudem besteht die Möglichkeit für Fachkräfte mit qualifizierter Berufsausbildung und Hochschulabsolventen für eine befristete Zeit (6 Monate) zur Arbeitsplatzsuche nach Deutschland zu kommen (Voraussetzung: deutsche Sprachkenntnisse und Lebensunterhaltssicherung).

Nach welchen Kriterien beurteilt die Bundesagentur für Arbeit, ob ein Antrag auf Arbeitserlaubnis genehmigt wird?

Oriane Lafargue: Dies hängt von der ausgewählten Berufsgruppe sowie der beruflichen Qualifikation des Antragstellers ab. Die Beschäftigung muss laut Aufenthaltsgesetz bzw. Beschäftigungsverordnung erlaubt sein. Zudem muss ein konkretes Arbeitsangebot vorliegen (dies wird i.d.R. durch Vorlage des Arbeitsvertrages nachgewiesen). Die Bedingungen, unter denen die Fachkraft künftig arbeiten wird, sind mit denen deutscher Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vergleichbar. Der Arbeitslohn entspricht dem deutscher Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Bei der Blue-Card bspw. wird ein bestimmtes Mindestgehalt gefordert.

Macht es Sinn für Arbeitssuchende, die aus dem Ausland gekommen sind, gegen einen ablehnenden Bescheid Widerspruch einzulegen?

Oriane Lafargue: Pauschal wird man diese Frage nicht beantworten können. Es kann aber durchaus Sinn machen, gegen die Ablehnung des Visums zu remonstrieren und Akteneinsicht anzufordern. Hier lässt sich oft leichter nachvollziehen, warum das Visum abgelehnt wurde. Manchmal liegt es nur am Grundgehalt o.ä., sodass man erneut an den Stellschrauben drehen kann. Man muss aber berücksichtigen, dass ein Remonstrationsverfahren auch eine zeitliche Verzögerung mit sich bringen kann, der Drittstaatsangehörige sitzt also im Ausland fest. Die zeitliche Verzögerung kann aber auch bei der Ablehnung des Aufenthaltstitels dramatisch sein, wenn der Betroffene sich bereits im Bundesgebiet aufhält aber vorerst keiner Arbeit nachgehen kann.

Wer trägt die Kosten für einen Fachanwalt und mit welchen Kosten kann man in der Regel rechnen?

Oriane Lafargue: Die Kosten trägt immer der Auftraggeber. Strebt man das beschleunigte Visumverfahren für Fachkräfte an, ist der zukünftige Arbeitgeber der Auftraggeber und Mandant, sodass er die Kosten trägt. Hier kommen zudem Verwaltungsgebühren für das beschleunigte Verfahren in Höhe von 411 Euro dazu, welche der Arbeitgeber trägt (§ 81a AufenthG). Die Anwaltskosten variieren je nachdem, welche Vereinbarung getroffen wurde. In den häufigsten Fällen wird dies eine Honorarvereinbarung (pauschal oder nach Stundensatz) sein, sodass die Kosten stark schwanken können.

Deutschland verspricht Fachkräften aus dem Ausland eine sofortige Arbeitsaufnahme. Geht dieser Schritt wirklich reibungslos vonstatten?

Oriane Lafargue: Das kann man definitiv verneinen. Auch die Einführung des beschleunigten Visumverfahrens für Fachkräfte ist zwar nett gemeint, aber das Versprechen wird kaum gehalten. Damit sollte sich die Dauer des Anerkennungsverfahrens auf 2 Monate verkürzen. Das Verfahren ist aber kompliziert und beteiligt die zentralen Ausländerbehörden des jeweiligen Bundeslandes, mit denen eine Vereinbarung geschlossen wird. Zudem gelten verkürzte Fristen für die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit. Diesen Behörden mangelt es schlicht am Personal, die Pandemiesituation macht es im Übrigen derzeit nicht leichter. Zudem wurde der Anwaltschaft kein Rechtsmittel an die Hand gegeben, wenn die im Gesetz genannten Fristen der Ausländerbehörden und Auslandsvertretungen nicht eingehalten werden. Abwarten und Tee trinken, ist auf dem Arbeitsmarkt jedoch meist keine Option.

Frau Rechtsanwältin Lafargue, vielen Dank für das Gespräch.

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