Patentanmeldung und -verletzung: Was genau dahinter steckt

Interview mit Dr. Johannes Gierlich
Eine neue Erfindung bringt viele Vorteile, aber auch Herausforderungen mit sich. Möchte man sein neu entwickeltes Verfahren oder seine Vorrichtung vor Missbrauch, Kopie oder Fremdnutzung schützen, so ist es sinnvoll, für diese ein Patent anzumelden. Dies erfolgt standardmäßig über das nationale und, falls zweckmäßig, später auch europäische Patentamt. Eine bloße Anmeldung ist es jedoch nicht. Vielmehr verbirgt sich dahinter ein ganzes Meer an zu beachtenden Gesetzmäßigkeiten, Fristen und Voraussetzungen, die mit einer Anmeldung oder Verletzung eines Patentes zusammenhängen. Glücklicherweise gibt es hierfür Spezialisten wie Dr. Johannes Gierlich, die bei allen Fragen rund um das Patent helfen können. Als Patentanwalt und Partner der Kanzlei Patentanwälte Gierlich & Pischitzis Partnerschaft mbB in Frankfurt am Main kann er uns einiges interessantes zu diesem Thema berichten.

Ein amerikanisches Unternehmen hat ein günstiges und umweltschonendes Verfahren entwickelt, welches den Verfall von Obst und Gemüse im Handel maßgeblich verringern soll, und sich somit einen immensen Wettbewerbsvorteil verschafft. Wie können Sie sicherstellen, dass Ihre Patentanmeldung in Deutschland bestmöglich geschützt ist?

Patentschutz in Deutschland ist über ein nationales Patent, europäisches Patent, sowie über das ab dem 1. Juni 2023 in Kraft tretende Einheitspatent möglich. Der Schutz erfolgt in allen Fällen über die Einreichung einer Patentanmeldung. Der Schutz kann auf das Verfahren, ein Erzeugnis oder die Verwendung des Erzeugnisses gerichtet werden. Bei einem Verfahren kann das Verfahrensprodukt, aber auch die Vorrichtungen zur Durchführung des Verfahrens geschützt werden, wenn diese für sich genommen besondere Merkmale aufweisen. Es ist gerade bei Verletzungen schwierig, nachzuweisen, dass ein Konkurrent das Verfahren verwendet. Ein Schutz eines Erzeugnisses oder der Vorrichtungen zur Verfahrensdurchführung vereinfacht die Durchsetzung, z. B. auf Messen. Auch erlaubt die Beanspruchung von Erzeugnissen die Abzweigung als Gebrauchsmuster, welches keinen Schutz von Verfahren erlaubt. Die Erfindung muss in der Patentanmeldung dargelegt und beschrieben werden. Der Schutzbereich selbst wird dann durch die erteilten Ansprüche definiert.

Studien zufolge wird der Börsengang von Unternehmen mit angemeldeten Patenten positiv beeinflusst. Dementsprechend kann es für viele börsennotierte Unternehmen und deren Aktionäre von großer Bedeutung sein, dass angemeldete Patente fristgerecht angemeldet sind. Was sind die Fristen für die Anmeldung von Patenten in Deutschland und wie können Sie sicherstellen, dass diese eingehalten werden?

Bei Patenten kommt es immer auf den Anmeldetag in Deutschland oder in einem anderen Land an. Dieser Tag definiert, ob Veröffentlichungen relevant für die Patentfähigkeit der Anmeldung sind. Auch eigene Veröffentlichungen vor dem Anmeldetag können sich fatal auf die eigene Patentanmeldung auswirken. Daher sollte vor der Anmeldung am besten nichts veröffentlicht oder auch ohne Geheimhaltungsvereinbarung mitgeteilt werden. Bei einer Anmeldung im Ausland ist darauf zu achten, dass die deutsche Anmeldung innerhalb eines Jahres ab dem frühesten Anmeldetag unter Beanspruchung der Priorität der Anmeldung im Ausland angemeldet wird. Falls eine internationale Anmeldung eingereicht wurde, so hat man 31 Monate ab dem frühestens Prioritätstag Zeit, die Anmeldung in Deutschland weiterzuführen. Zusammengefasst ist es bei einer deutschen Erstanmeldung vor allem wichtig, vor dem Anmeldetag die Erfindung nicht zu veröffentlichen. Wenn schon eine Anmeldung besteht, ergeben sich abhängig von der Art der Anmeldung unterschiedliche Fristen. Wenn wir mit einem solchen Fall betreut werden, überwachen wir alle relevanten Fristen für unsere Mandanten. Wichtig ist immer, dass sich frühzeitig gekümmert wird, da oft noch formale Schritte wie die Erstellung von Übersetzungen durchzuführen sind.

Was sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Patenterteilung?

Die Erfindung selbst muss neu und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sein. Es gibt noch besondere Ausnahmen, beispielsweise im medizinischen Bereich oder bei Software, welche ich jetzt nicht näher ausführen will. Wichtig ist aber auch, dass die Patentanmeldung selbst die Erfindung klar und eindeutig beschreibt. Ohne Beispiele oder Vergleichsexperimente kann es sehr schwierig werden, im Prüfungsverfahren die technischen Vorteile der Erfindung dem Amt gegenüber zu beweisen. Die Patentanmeldung sollte daher nicht schon bei der ersten Skizze eingereicht werden, sondern idealerweise liegen auch Hinweise vor, was die relevanten Merkmale der Erfindung sind. Wie oben ausgeführt legen die Ansprüche den Schutzbereich fest. Jedes dort unnötigerweise aufgeführte Merkmal engt den Schutzbereich ein, sodass ein Verletzer das Patent umgehen kann.

Was sind die wichtigsten Aspekte des Verfahrens zur Anmeldung von Patenten in Deutschland?

In Deutschland muss innerhalb von 7 Jahren nach Anmeldung Prüfungsantrag gestellt werden. Vorher kann optional ein Rechercheantrag gestellt werden, wodurch das Deutsche Patent- und Markenamt eine Recherche nach relevanten Schriften durchführt und eine erste Einschätzung übermittelt. Unabhängig davon sind für die Patentanmeldung ab dem 2. Jahr jährlich Jahresgebühren zu entrichten, um die Anmeldung anhängig zu halten. Diese Gebühren steigen mit den Jahren an.

Patentverletzungen können den Patentinhabern unter anderem erheblichen wirtschaftlichen Schaden zufügen. Wie geht man mit Patentverletzungen in Deutschland um?

Bei Patentverletzungen ist es Aufgabe des Patentinhabers, sein Patent durchzusetzen. Auch eine Erstattung der Kosten erfolgt erst nach erfolgreichem Verfahren. Dies kann dazu führen, dass zunächst einiges an Kosten entsteht, bis dann – nach einigen Jahren, wenn beispielsweise durch mehrere Instanzen geklagt wird – das Verfahren abgeschlossen wird. Vor der Verletzungsklage wird meistens eine sogenannte Berechtigungsanfrage verschickt, bei der – ohne Androhung von rechtlichen Schritten – bei dem potentiellen Verletzer angefragt wird, warum er der Ansicht ist, das Patent nicht beachten zu müssen. Erst wenn dies nicht zu Erfolg führt, wird eine Abmahnung mit Androhung von rechtlichen Schritten verschickt. Diese Schritte müssen nicht durchgeführt werden. Allerdings verhindern diese Schritte, dass der Verletzer bei einer Klage einfach die Klage direkt anerkennt und man dann seine Kosten nicht geltend machen kann. Es hängt allerdings vom Einzelfall ab, ob es zielführend  ist, den Verletzer durch vorherige Schreiben „aufzuschrecken“. Danach erfolgt die Verletzungsklage vor dem Landgericht. Es ist außerdem möglich, gerade auf Messen, das Patent durch eine einstweilige Verfügung direkt durchzusetzen. Bei jedem Vorgehen gegen einen Verletzer ist es wichtig, sich möglichst gründlich vorzubereiten. Im gerichtlichen Verfahren können die Fristen für die Einreichung von Schriftsätzen recht knapp sein, so dass nur wenig Zeit für die Recherche von Dokumenten oder das Durchführen von Vergleichsexperimenten bleibt. Auch ist davon auszugehen, dass der Beklagte seinerseits eine Nichtigkeitsklage gegen das Patent erheben wird. Auch darauf sollte man sich vorbereiten.

Wie können Sie sich gegen eine ungerechtfertigte Patentverletzung verteidigen?

Jede Berechtigungsanfrage oder Abmahnung ist ernst zu nehmen. Es ist wichtig, alles zu dokumentieren. Auch sollte das Patent selbst durch einen Patentanwalt geprüft werden, ob es überhaupt im konkreten Fall in Kraft ist oder anwendbar ist. Eine ungerechtfertigte Abmahnung kann den Abmahnenden schadensersatzpflichtig machen. Wichtig ist es, zunächst den Sachverhalt ruhig zu prüfen und möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Manchmal kann auch ein Hinweis auf eine für das Patent relevante Veröffentlichung Wunder wirken, wenn diese das Patent gefährdet. Man sollte aber niemals die Angaben des Patentinhabers ungeprüft übernehmen und auf keinen Fall eine mitgeschickte Unterlassungserklärung unterschreiben.

Was sind die Auswirkungen der neuesten Entwicklungen im Patentrecht auf die Patentanmeldungen und -verletzungen?

Das nationale deutsche Patentrecht hat aktuell keine größeren Änderungen erfahren. Die größte auch für Deutschland relevante Änderung auf europäischer Ebene ist die Einführung des Einheitspatents und des Einheitlichen Patentgerichts am 1. Juni 2023. Ein Einheitspatent kann nach Erteilung für ein europäisches Patent beantragt werden und ist ein gemeinsames Patent für aktuell 17 Staaten (Österreich, Belgien, Bulgarien, Deutschland, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Italien, Litauen, Luxemburg, Lettland, Malta, Niederlande, Portugal, Schweden, Slowenien). Parallel dazu wird das Einheitliche Patentgericht eingeführt, welches exklusiv für Verletzung und Nichtigkeit der Einheitspatente zuständig ist. Die weitere Gültigkeit des Einheitspatent geht allerdings auch mit dem Nachteil einher, dass es im Unterschied zu bisherigen europäischen Patenten, zentral für alle diese Staaten für nichtig erklärt werden kann. Allerdings kann auch eine Patentverletzung gemeinsam für mehrere Staaten durchgesetzt werden, was einfacher ist, als Verfahren in mehreren Ländern zu führen. 

Zu beachten ist auch, dass das Einheitliche Patentgericht ab 1. Juni 2023 auch für die deutschen Teile europäischer Patente zuständig wird. Dies bedeutet für Inhaber aktuell anhängiger europäischer Patente, dass ihre alten europäischen Patente – zumindest für diese 17 Staaten – zentral nichtig geklagt werden können. Um für ein europäisches Patent – zumindest für die nächsten 7 Jahre – die Zuständigkeit des Einheitlichen Patentgerichts zu verhindern, muss ein entsprechender Antrag beim Einheitlichen Patentgericht gestellt werden. Dies würden wir aktuell auch empfehlen. Der Antrag kann jederzeit zurückgenommen werden, so dass man jetzt nicht gezwungen ist, bis 1. Juni 2023 eine so weitreichende Entscheidung für sein Patentportfolio zu treffen, insbesondere da es ja noch keine Erfahrung mit der Rechtsprechung des Einheitlichen Patentgerichts gibt. So bleibt Zeit für jedes Schutzrecht zu prüfen, ob eine Zuständigkeit des neuen Gerichts sinnvoll ist.

Für das rein deutsche Verfahren ändert sich durch die Einführung des Einheitspatents nichts Grundlegendes. Es wird aber langfristig dazu führen, dass die Bedeutung der nationalen Patenten und von Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht abnehmen werden.

Herr Dr. Gierlich, vielen Dank für das Interview.

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