Nicht nur Superreiche, sondern auch wohlhabende Menschen gründen Stiftungen. In diesem Zusammenhang hört man immer, dass es finanzielle Vorteile gibt. Können Sie uns die Motivation erläutern, eine Stiftung zu gründen?
Prof. Dr. Daniel Graewe: Eine Stiftung ist ein „verselbstständigtes Zweckvermögen“ – also nichts anderes als ein Vermögen, dass rechtlich separiert ist und einen bestimmten Zweck fördern soll. Daher gründen auch ganz „normale“ Menschen Stiftungen; dazu muss man nicht reich oder wohlhabend sein. Im Fokus stehen nämlich nicht finanzielle Vorteile, sondern die Verwirklichung eines vom Stifter festgelegten Zwecks. Der Zweck kann etwa ganz allgemein die Förderung von Bildung oder Sport sein, aber auch die langfristige Sicherung eines spezifischen Unternehmens oder die finanzielle Unterstützung der eigenen Familie. Durch die Gründung einer Stiftung kann man dabei zwei Vorteile sicherstellen: zum einen kann der Stifter auch über seinen Tod hinaus Dinge unveränderbar regeln und man kann zum anderen durch geschickte Gestaltungen für die eigene Familie steuerliche Vorteile nutzen sowie zugleich die Allgemeinheit fördern.
Aber um eines klarzustellen: wenn es nur um finanzielle Vorteile gehen würde, bräuchte man keine Stiftung. Wer eine Stiftung gründet, dem geht es primär um die dauerhafte Verwirklichung eines bestimmten Zwecks; dass damit auch andere Vorteile einhergehen, ist nur ein Nebeneffekt.
Gibt es in den Stiftungsarten Unterschiede beispielsweise zwischen privater oder gemeinnütziger Stiftung?
Prof. Dr. Daniel Graewe: Es existieren verschiedene Ausprägungen von Stiftungen. Am wesentlichsten ist die Unterscheidung zwischen einer unselbstständigen Stiftung und einer rechtsfähigen Stiftung. In Deutschland existieren rund 25.000 rechtsfähige Stiftungen und vermutlich weit über hunderttausend unselbstständige Stiftungen. Erstere besitzt eine eigene Rechtspersönlichkeit, wie etwa die GmbH oder die Aktiengesellschaft, d.h. sie kann selbst im Rechtsverkehr agieren und wird dabei von der staatlichen Stiftungsaufsicht überwacht. Die unselbstständige Stiftung ist hingegen nur ein Vermögenswert (etwa Geld auf einem Konto), der von einer anderen Person für einen bestimmten Zweck selbst verwaltet wird.
Ein weiteres – und von der Rechtsform unabhängiges – Unterscheidungsmerkmal ist die Steuerbegünstigung. Darunter versteht man etwa Steuerbefreiungen bei Körperschaft- oder Gewerbesteuer und die Abzugsfähigkeit von Spenden an die Stiftung.
Von den rechtsfähigen Stiftungen sind rund 95 % steuerbegünstigt, d.h. sie verfolgen einen gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zweck – also eine Tätigkeit, die der Allgemeinheit zu Gute kommt. Der Rest sind z.B. Familienstiftungen, die etwa nur eine spezifische Familie (meist die des Stifters) unterstützt. Welche Art einer Stiftung man gründet, ob rechtsfähig oder unselbstständig, und ob diese Stiftung dann steuerbegünstigt sein soll, kann der Stifter unabhängig voneinander entscheiden.
Wie teuer ist die Gründung und welches (Mindest-) Kapital sollte eingebracht werden?
Prof. Dr. Daniel Graewe: Anders als bei der GmbH oder der Aktiengesellschaft gibt es keine gesetzliche Regelung eines Mindestkapitals. Bei den unselbstständigen Stiftungen existieren gar keine Anforderungen an ein Mindestkapital. Bei der rechtsfähigen Stiftung besteht zumindest eine Verwaltungspraxis der behördlichen Stiftungsaufsicht, die ein Mindestvermögen von EUR 50.000,00 fordert; darunter wird es schwierig. Wichtig ist, dass der Stifter nachweisen kann, dass die Stiftung mit dem Grundstockvermögen in der Lage ist, den Zweck dauerhaft zu fördern. Das notwendige Anfangsvermögen hängt also auch vom verfolgten Zweck ab. Nach oben sind dann keine Grenzen gesetzt. Die größten Stiftungen in Deutschland haben ein Vermögen von mehreren Milliarden Euro; die kleinsten Stiftungen nur noch wenige Euro, weil nach der Gründung das Stiftungsvermögen – z.B. durch die anhaltende Niedrigzinsphase trotz gleichbleibender Verwaltungskosten – aufgezehrt worden ist.
Eine unselbstständige Stiftung zu gründen ist weitaus günstiger als eine rechtsfähige Stiftung. Bei letzterer kommt es darauf an, wie komplex die Stiftung sein soll. Soll es neben dem Vorstand einen Stiftungsrat geben, vielleicht noch zusätzlich einen Beirat und eine Destinatärsversammlung? Soll es für den Vorstand eine Geschäftsordnung geben und Anlagerichtlinien, wie das Stiftungsvermögen zu verwalten ist? Soll die Stiftung eine arbeitsteilige Binnenorganisation erhalten und/oder soll sie steuerbegünstigt sein? Das alles sind Fragen, die auf die Kosten der Stiftungsgründung einen Einfluss haben.
Die Kosten der Gründung einer einfachen rechtsfähigen Stiftung liegen ungefähr bei EUR 3.000,00 bis 5.000,00. Komplexe Stiftungsgründungen z.B. eine Unternehmensdoppelstiftung im Rahmen der Nachfolgelösung eines Familienunternehmens können im oberen fünfstelligen Bereich angesiedelt sein.
Mit welcher Dauer muss man rechnen, bis eine Stiftung geschäftsfähig ist? Gibt es europaweit Unterschiede?
Prof. Dr. Daniel Graewe: Die Dauer der Beratung im Vorfeld hängt von der Komplexität der Rahmenbedingungen ab und wie klar dem Stifter die Gestalt seiner Stiftung ist. Oftmals stellt sich aber bei einem ersten Gespräch heraus, dass sich der Stifter über die vielen Optionen und Möglichkeiten bei der Gründung einer Stiftung gar nicht im Klaren ist und selbst noch Zeit benötigt, um wichtige Weichenstellungen zu überdenken, also z.B. ob die Stiftung ein Aufsichtsgremium haben und wer dessen Zusammensetzung nach dem Tod des Stifters bestimmen soll. Die durchschnittliche Zeit von der rechtlichen Erstberatung bis zur Beantragung der Anerkennung der Stiftung durch die Stiftungsbehörde beträgt zwei bis drei Monate. Die Zeit bis zur behördlichen Anerkennung etwa nochmal genauso lange. Bei unselbstständigen Stiftungen entfällt die behördliche Prüfung und die Beratung im Vorfeld halbiert sich in der Regel.
Europaweit ist die Länge der Vorgründungsberatung in etwa gleichlang. Wenn Behörden im Ausland involviert werden müssen, sind die Bearbeitungszeiten sehr unterschiedlich und können, je nach Land, von wenigen Wochen bis zu vielen Monaten betragen.
In welcher Form unterstützen Sie bei der Stiftungsgründung?
Prof. Dr. Daniel Graewe: Wir haben schon bei vielen Stiftungsgründungen beraten – und auch beim laufenden Geschäft. Es fängt an bei der Frage, warum der Stifter eine Stiftung gründen will, z.B. weil ein Familienunternehmen an die nächste Generation übergeben, oder der Erhalt eines Denkmals gesichert werden soll. Das führt zur Wahl der Rechtsform (rechtsfähig, unselbstständig) und der Frage, ob eine Steuerbegünstigung angestrebt wird. Es geht weiter zu Fragen der Binnenorganisation (sog. Governance, also welche Organe die Stiftung haben und über welche Kompetenzen diese verfügen sollen), über die Anlagestrategie und endet mit der Begleitung des behördlichen Anerkennungsverfahrens.
Im laufenden Geschäft geht es häufig um Haftungsfragen der Vorstandsarbeit und die Vermögensverwaltung. In den Startlöchern steht zudem eine große Reform des Stiftungsrechts. Dann werden bislang kaum erlaubte Fusionen von Stiftungen einen großen Beratungsbedarf auslösen und die Beratung bei Restrukturierungen, die derzeit häufiger sind, werden zurückgehen.