Roland Albers: Rechtswirksame Abmahnung

Interview mit Roland Albers
Roland Albers ist Rechtsanwalt in seiner Kanzlei ALBERS und COLL. In Ludwigshafen/Rhein. Mit ihm sprechen wir über arbeitsvertragswidriges Verhalten, Gründe für eine Abmahnung sowie gesetzliche Fristen.

Verletzt ein Arbeitnehmer seine Pflichten, muss er mit einer Abmahnung rechnen. Was sind die häufigsten Gründe für eine Abmahnung?

Roland Albers: In der Reihenfolge meiner praktischen Erfahrungen:

Schlechtleistung

Verletzung der Anzeigepflicht und der Nachweispflicht bei Krankheit

Unpünktlichkeit

Nichterfüllung Arbeitsauftrag

unangemessenes Verhalten gegenüber Vorgesetzten

Eine Abmahnung soll im Prinzip drei Funktionen erfüllen: Welche sind das?

Roland Albers: Dokumentationsfunktion, Rügefunktion und Warnfunktion.

Für eine Abmahnung muss der Arbeitnehmer gute Gründe vorweisen können. Was muss eine rechtswirksame Abmahnung beinhalten?

Roland Albers: Eine Abmahnung muss vor allem genau das arbeitsvertragswidrige Verhalten bezeichnen, welches nicht akzeptiert wird. Dieses Verhalten muss gut dokumentiert sein. Im Rahmen der Rüge weist der Arbeitgeber darauf hin, dass er dieses Verhalten als arbeitsvertragswidriges Verhalten nicht akzeptiert. Von besonderer Bedeutung ist dann die Androhung von arbeitsrechtlichen Maßnahmen. Ohne diese Androhung kann die Abmahnung für eine spätere Kündigung nicht herangezogen werden. Das Wort „Kündigung“ ist nicht zwingend notwendig. Der Arbeitnehmer muss aber wissen, dass ihm im Wiederholungsfalle gegebenenfalls auch eine Kündigung droht.

Bei einer Abmahnung müssen auch bestimmte zeitliche Fristen eingehalten werden. Welche Fristen muss der Arbeitgeber hier einhalten bzw. wann ist eine Abmahnung zu früh und wann zu spät?

Roland Albers: Es gibt weder gesetzliche Fristen, noch wurden Fristen von der Rechtsprechung entwickelt. Jede Abmahnung wird gegebenenfalls individuell vom Arbeitsgericht beurteilt. Bei einer Abmahnung, welche erst nach einem halben Jahr nach einem Fehlverhalten ausgesprochen wird, wird sich für das Arbeitsgericht durchaus die Frage stellen, ob der Arbeitgeber das gerügte Verhalten tatsächlich als so inakzeptabel empfindet, dass er diesbezüglich im Wiederholungsfalle sogar eine Kündigung erwägt. Wehrt sich der Arbeitnehmer erfolgreich gegen eine Abmahnung beim Arbeitsgericht und muss der Arbeitgeber diese Abmahnung dann nach langen Monaten aus der Personalakte entfernen, kann er eventuell zuvor gemachte Fehler bei der Abmahnung korrigieren und diese Abmahnung nochmals neu aussprechen. Zu früh könnte eine Abmahnung dann sein, wenn der Arbeitgeber den Abmahnungssachverhalt eventuell für eine Kündigung verwerten will. Ist ein Verhalten erst einmal abgemahnt, hat der Arbeitgeber gezeigt, wie ihr das Verhalten ahnden möchte. Genau dieses Verhalten kann dann nicht Gegenstand einer Kündigung sein.

Welche Möglichkeiten haben Arbeitnehmer, um gegen eine unrechtmäßige Abmahnung vorzugehen?

Roland Albers: Der Arbeitnehmer kann überhaupt nichts unternehmen, da er auch im Rahmen eines späteren Rechtsstreits über eine Kündigung immer noch die Fehlverhalten bestreiten kann, welche der Abmahnung zugrunde lagen. Dies kann taktisch sogar sinnvoll sein, weil der Arbeitgeber das Fehlverhalten beweisen muss und ihm dies in einem späteren Rechtsstreit aufgrund des Zeitablaufs eventuell viel schwerer fällt. Der Arbeitnehmer kann eine Gegendarstellung verfassen, welche der Arbeitgeber zur Personalakte nehmen muss. Der Arbeitnehmer kann auch gegen die Abmahnung eine Klage beim Arbeitsgericht auf Entfernung der Abmahnung einreichen. Dies wird in der Praxis von Arbeitsgerichten oftmals für taktisch unklug gehalten, da man letztlich den Arbeitgeber durch den Rechtsstreit verärgert und gegebenenfalls ein rechtskräftiges Urteil erhält, welches die Abmahnung bestätigt. Dann kann der Arbeitnehmer später nicht mehr behaupten, der Abmahnungssachverhalt sei falsch. Ein Rechtsstreit über eine Abmahnung erscheint dann sinnvoll, wenn man das Gefühl hat, der Arbeitgeber möchte mit der Abmahnung eine spätere Kündigung vorbereiten. Dann macht es Sinn, sich möglichst frühzeitig gegen Maßnahmen des Arbeitgebers zur Wehr zu setzen und nicht erst auf ein Kündigungsverfahren zu warten.

Eine Abmahnung kann ein Dorn im Auge des Arbeitnehmers sein. Wann besteht Anspruch auf Entfernung der Abmahnung?

Roland Albers: Ein Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte besteht dann, wenn die Abmahnung formell oder inhaltlich unrichtig ist. Dabei reicht es, wenn von mehreren Vorwürfen in einer Abmahnung ein einziger Vorwurf nicht bestätigt wird. Dann muss der Arbeitgeber die gesamte Abmahnung aus der Personalakte entfernen. Er kann aber durchaus bezüglich der bestätigten Vorwürfe eine neue Abmahnung aussprechen.

Während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses gibt es keine Frist, nach welcher eine Abmahnung entfernt werden muss, es sei denn es gibt im Unternehmen eine Betriebsvereinbarung, welche dies beispielsweise nach zwei Jahren vorsieht. Solange die Abmahnung noch für die Beurteilung des Arbeitsverhältnisses von Bedeutung sein kann, kann sie in der Personalakte verbleiben. Sie verliert nach allgemeiner Auffassung nach ca. zwei Jahren immer mehr an Wirkung. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geht man neuerdings davon aus, dass aus datenschutzrechtlichen Gründen die Herausnahme der Abmahnung aus der Personalakte gefordert werden kann.

Herr Albers, vielen Dank für das Gespräch!

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