Positives und negatives Denken: Das sagt eine Dipl. Psychologin dazu

Interview mit Monika Matschnig
Unser heutiger Interviewgast ist Monika Matschnig, sie ist Expertin für Wirkungskompetenz und Dipl. Psychologin. Von ihr wollen wir erfahren, ob positives Denken uns Vorteile im Alltag bietet und gleichzeitig, ob negatives Denken immer schlecht ist.

Warum denken so viele Menschen negativ?

Gründe für negatives Denken gibt es reichlich: negative Erfahrungen in der Vergangenheit, die Übernahme von pessimistischen Denkmustern in der Familie, Umfeld oder kulturelle Normen, überbordender Stress und nicht zu vergessen, die Überflutung von negativen Nachrichten – Bad news are good news.

Fakt ist: Gedanken sind zunächst nur Gedanken und nicht mehr. Im optimalen Fall sollten Gedanken wie Wolken kommen und gehen. Gedanken täuschen sich als Fakten, sind aber Fake. Und doch haben sie eine enorme Macht über uns. Beginnt sich der Teufelskreis zu drehen, dann ist es schwer, diese nach untengerichtete Spirale zu stoppen. Permanente negative Gedanken lähmen, ängstigen, machen aggressiv und verursachen Stress. Doch das muss nicht sein. Gedanken sind ja nur Gedanken… . Wenn sich das nächste Mal wieder negative Gedanken einschleichen, die negativen Gefühle erzeugen – wie Angst, Unsicherheit, Nervosität, Neid  – dann ist es zu 99% unwahrscheinlich, dass das Kopfkino Realität wird! Wir können niemals die Zukunft voraussagen. Zukunftsdrehbücher zu schreiben, bringt nichts, außer häufig Frust.

Ist positives Denken immer vorteilhaft?

Definitiv nicht! Positives Denken ist nicht der Schlüssel für ein erfolgreiches Leben. „Toxische Positivität“ macht auf Dauer krank.  Wer nach dem Glaubenssatz lebt: „Denke positiv und dir widerfährt Gutes.“, der ist auf dem Holzweg.  Das ist Realitätsverweigerung und Selbstbetrug. Negative Gefühle brauchen Raum: Zulassen und akzeptieren. Nur dann können wir sie verarbeiten und konstruktiv nutzen. „Was man ablehnt, bleibt nicht nur bestehen, sondern wird immer größer.“, so der Psychiater Carl Gustav Jung.

Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Vorteile des Denkens positiver Gedanken?

Positives Denken führt zu einer Stabilisierung der Psyche und des Körpers. Im Detail betrachtet sind die wichtigsten Vorteile: Wir reduzieren Angstzustände, Depressionen und Stress; Herausforderungen und schwierige Situationen werden besser bewältig; die Beziehungen verbessern sich, denn Menschen mögen „optimistische“ Menschen und fühlen sich zu denen hingezogen. Es fördert die Selbstmotivation, was wiederum der Erreichung von Zielen dient. Positiv denkende Menschen sind tendenziell resilienter, also können mit Misserfolgen besser umgehen. Und dennoch ist positives Denken kein Allheilmittel. Bei Schicksalsschlägen brauchen wir den Realitätssinn und dazu effektive Bewältigungsstrategien. Negative Gefühle kann man nicht einfach durch eine positive Affirmation wegdrücken, sondern brauchen auch Raum. Bekommen sie diesen nicht, dann explodieren sie.

Wie kann man negative Gedanken in positive Gedanken umwandeln?

Wer nun einen Zaubertrick erwartet, den muss ich enttäuschen. In meiner Praxis dauert die Arbeit Wochen bis Monate und oft sogar Jahre. Es erfordert Zeit, Übung und Bewusstsein. Was aber kann jeder einüben, um negative Gedanken in positivere Denkmuster umzuwandeln?

1. Erkennen, akzeptieren und nicht bewerten. Bewertung verfestigt das negative Denken. Lassen Sie den negativen Gedanken kommen und ziehen. Ohne große Beachtung verflüchtigt er sich.

2. Humor hilft. Schaffe ich es dem negativen Denken humorvoll und spielerisch zu begegnen, dann verliert es an Macht. „Wow, meine negativen Gedanken feiern eine Party in meinem Kopf. Mich haben sie nicht eingeladen, diese Versager.“ Natürlich ist Humor individuell und jeder sollte seine eigene paradoxe Intention wählen.

3. Formulieren Sie den Gedanken um und verschriftlichen Sie es: „Mein Team hat schon wieder einen Fehler gemacht. Ich muss alles alleine erledigen, weil sie nicht kompetent genug sind.“ Die Umformulierung könnte lauten: „Mein Team hat einen Fehler gemacht, aber ich werde diese Gelegenheit nutzen, um gemeinsam mit ihnen zu lernen und uns weiterzuentwickeln.“ Oder: „Ich habe versagt.“ Besser: „Ich habe die Chance, aus meinen Fehlern zu lernen und mein Potenzial weiterzuentwickeln.“

3. Hinterfragen Sie Ihre Gedanken: Überprüfen Sie Ihre negativen Gedanken kritisch und hinterfragen Sie deren Richtigkeit. „Ist es wahr, dass es gerade in den nächsten Wochen einen Börsen-Crash geben wird?“, „Ist es wirklich wahr, dass mich alle als Versager auslachen werden?“

4. Betreiben Sie Selbstfürsorge: Sorgen Sie für sich selbst und achten Sie auf Ihr körperliches, emotionales und geistiges Wohlbefinden. Wenn Sie sich gut um sich selbst kümmern, sind Sie besser in der Lage, mit negativen Gedanken umzugehen.

5. Nehmen Sie professionelle Hilfe in Anspruch: Wenn Sie Schwierigkeiten haben, mit negativen Gedanken umzugehen oder Sie übermäßig belastend sind, scheuen Sie sich nicht, professionelle Hilfe von einem Therapeuten oder Psychologen in Anspruch zu nehmen. Eine professionelle Unterstützung kann Ihnen helfen, tieferliegende Ursachen von negativem Denken anzugehen und effektive Bewältigungsstrategien zu entwickeln.

Welche Methoden oder Techniken empfehlen Sie, um positive Gedanken im Alltag zu fördern?

Bewährte Methoden wären:

  • Den Tag positive starten und Selbstfürsorge betreiben: Etwas tun, dass Ihnen guttut. Schreiben Sie sich eine Liste und führen Sie es routinemäßig ein.
  • Führen Sie ein Dankbarkeits-Tagebuch – Schreiben Sie auf, wofür Sie dankbar sind und worauf Sie sich freuen.
  • Starten Sie jede Begegnung mit 10 positiven Wörtern. Und die Reziprozität wirkt. Wir sorgen für eine positive Atmosphäre und es kommt was Positives zurück.
  • Meditieren Sie, auch wenn es nur 5 Minuten sind. Für Anfänger empfiehlt sich eine geführte Mediation.
  • Body-Hack: Duschen Sie kalt! Richtig kalt, für 30 Sekunden oder länger.
  • Grübeln Sie schon morgens, dann ab auf den Grübel-Stuhl: Setzen Sie sich auf den Grübel-Stuhl und grübeln Sie 10 Minuten intensiv. Alles ist erlaubt. Sobald Sie aufstehen, lassen Sie das Grübeln sein. Einzige Bedingung: Stellen Sie einen Wecker für 10 Minuten. Und wenn es läutet, hören Sie auf. Das befreit ungemein und macht den Kopf frei für eine neue Perspektive.
  • Diese einfachen Methoden bewirken, dass Sie sich plötzlich gelassener fühlen und wirken und etwas Positives ausstrahlen. Und Menschen die positiv wirken, sind ein Magnet.

    Was sind einige häufige Herausforderungen, auf die Menschen stoßen, wenn sie versuchen, ihre Denkweise zu ändern und wie können sie diese überwinden?

    Das größte Übel sind ABHÄNGIGKEITS-ÜBERZEUGUNGEN. Diese Menschen leben im Glaubenssatz: „Die anderen müssen was für mich tun!“ Die Umstände, die Menschen, der Staat, mein Lebenspartner, meine Freunde sind dafür verantwortlich, dass es mir gut geht. Sie machen sich abhängig von anderen und sitzen somit nicht am Steuer Ihres Lebens. Sie erschweren Ihr Leben und die positive Veränderung.

    Forciert werden sollten die SELBSTWIRKSAMKEITS-ÜBERZEUGUNGEN. Hier sind die innere Bereitschaft und Selbstverantwortlichkeit gegeben. Diese Menschen vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten. Mit den Selbstwirksamkeits-Überzeugungen nehmen Sie Ihr Leben in die Hand und sitzen am Steuer Ihres Lebens! Was können wir denn ändern? Wohl nur uns selbst!

    Ertappen Sie sich, dass Sie häufig andere für Ihre Situation schuldig machen, dann sollten Sie lernen, diese Gewohnheit zu durchbrechen. Spielt in Ihrem Kopf wieder einmal die „Die- anderen-sind-Schuld-für-meinen-Zustand“-Platte, dann sollte Sie die Verantwortung für sich übernehmen. Um dieser Gedankenspirale einen Garaus zu machen, können Sie mit Freunden vereinbaren, Sie humorvoll zu ermahnen.

    Welche Rolle spielen die Menschen um uns herum beim Fördern positiver Gedanken?

    Eine sehr große. Umgeben Sie sich mit positiv gesinnten Menschen und misten Sie anhaltende Energieräuber aus.

    Welche Empfehlungen haben Sie für Menschen, die mit negativen Gedanken oder Depressionen kämpfen?

    Die Depression hat viele Gesichter. Das Gute, sie kann sehr gut behandelt werden. Umso früher man sich Hilfe holt, desto besser kann der Behandlungserfolg sein. Spüre ich über einen Zeitraum eine „hoffnungslose Leere“, bin antriebslos und erkenne den Sinn nicht mehr, dann sollte niemand warten, und professionelle Hilfe bei einem Therapeuten oder Psychologen holen. Gemeinsam findet man einen Lösungsweg, erhält Verständnis, Unterstützung und wir finden einen sinnvollen individuellen Weg. Dafür sind wir da!

    Vielen Dank für das Interview.

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Monika Matschnig

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