Hans-Peter Schmid: Die Reformierungstechnologie ist marktreif

Interview mit Dr. Hans-Peter Schmid
Dr. Hans-Peter Schmid ist Geschäftsführer der WS Reformer GmbH in Renningen. Mit ihm sprechen wir über Wasserstofftechnologie, Klimaneutralität sowie Nutzung von Wasserstoffantrieb.

Welche Vorteile und Nachteile sehen Sie in der Verwendung der Wasserstofftechnologie im Zusammenhang mit der Klimaneutralität und der Wirtschaftlichkeit?

Dr. Hans-Peter Schmid: Wasserstoff ist ein sekundärer Energieträger, der in den verschiedensten fossilen und erneuerbaren Energieträgern gespeichert und wieder extrahiert werden und zur Speicherung von grünem Strom dienen kann. Im Sinne der Klimaneutralität bildet Wasserstoff daher das evolutionäre Bindeglied von der fossilen zur postfossilen Welt. Über Brennstoffzellen gelingt mit dem Wasserstoff die breite Elektrifizierung des Verkehrssektors sowie eine effektive, gekoppelte Strom- und Wärmeversorgung im stationären Sektor.

In den USA und China wird der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft konsequent vorangetrieben. Wie kommt es, dass Europa sich damit bislang so viel Zeit gelassen hat?

Dr. Hans-Peter Schmid: In meiner Wahrnehmung ist die konsequente Förderung in China ein Element der High-Tech Strategie in einem neuen Technologiefeld mit ähnlichen Startbedingungen für alle. In den USA sind sehr billige fossile, lokale Energieträger die größte Hürde für die Einführung der Wasserstoffwirtschaft und ich sehe keinen wesentlichen Vorsprung gegenüber Europa. 

Die Wasserstoff-Technologie gilt als „die“ klimafreundliche Energienutzung. Wie kommt es, dass sich die Technologie in der Automobilindustrie nicht durchsetzen konnte, sondern die Nutzung von Batterien sich durchgesetzt hat?

Dr. Hans-Peter Schmid: Gute Frage. Man kann konstatieren, dass die Batterietechnologie signifikante Entwicklungssprünge durchlaufen hat und damit für 95% der Privatfahrten perfekt geeignet ist, solange man sein Auto in der Garage oder einem Parkplatz laden kann.

Welche Vor- und Nachteile sehen Sie in der Nutzung eines Wasserstoffantriebs?

Dr. Hans-Peter Schmid: Gegenüber der batterieelektrischen Mobilität liegen die Vorteile des Wasserstoffantriebes in der erheblich kostengünstigeren Betankungsinfrastruktur, bei schweren Fahrzeugen, im öffentlichen Nahverkehr, dem LKW und als Alternative zum nicht-elektrifiziertem Schienenverkehr. Rohstoffe, Energieaufwand zur Herstellung und einfaches Recycling sind weitere Vorteile. 

Nachteil sind naturgemäß die notwendigen Schritte zur Wasserstoffherstellung sowie der Stromerzeugung (Brennstoffzelle) im Fahrzeug.

Vielfach kritisiert wird die große Menge an Strom, die für die Gewinnung von Wasserstoff notwendig ist. Es gibt zwar alternative Möglichkeiten zur „grünen“ Stromgewinnung. Doch inwieweit steht diese für die Wasserstoffgewinnung zur Verfügung?

Dr. Hans-Peter Schmid: In Deutschland werden heute ca.9000 Biogasanlagen zur Herstellung von grünem Strom betrieben. Wenn man das Biogas stattdessen direkt in Wasserstoff über den Prozess der Dampfreformierung umwandelt, kann die doppelte Menge Wasserstoff bereitgestellt werden. Mit diesem Potential könnte ca. 20% des derzeitigen PKW-Bestandes mit Wasserstoff und Brennstoffzelle versorgt werden. Die Reformierungstechnologie ist marktreif und Jahrzehnte im großen Maßstab erprobt.

Das EU-Parlament fordert den schrittweisen, aber schnellen Ausstieg aus fossilem Wasserstoff. Dafür muss auf andere klimafreundliche Stromgewinnungsmöglichkeiten zugegriffen werden. Wie schnell und in welchem Umfang schätzen Sie, wird dies möglich sein?

Dr. Hans-Peter Schmid: Fossiler Wasserstoff wird heute im Wesentlichen in der Chemie- und Petrochemie verwendet. Wenn man den Ausstieg aus Rohölbasierten Kraftstoffen forciert, fällt der Bedarf in Petrochemie von fossilem Wasserstoff (Entschwefelung der Fraktionen) weg. Für die Substitution des erdgasbasierten Wasserstoffs in der Chemieindustrie muss das entsprechende Energieäquivalent an regenerativem Strom und angepasste Speicherkapazitäten zur 24/7 Erzeugung bereitgestellt werden.  Die Geschichte von Technologischen Umbrüchen zeigt, dass sich diese sehr schnell vollziehen können, wenn die Rahmenbedingungen entsprechend sind….  In der heutigen Situation würde ich sagen: 60% Umsetzung könnten in 10 Jahren zu schaffen sein, wenn die Bedrohung durch den Klimawandel gegenüber kurzfristigen Gewinninteressen deutlich an Gewicht gewinnt.

Herr Dr. Schmid, vielen Dank für das Gespräch!

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