Julia Jung: Wasserstoff ist eine der effizientesten Möglichkeiten

Interview mit Julia Jung
Julia Jung ist Mitarbeiterin der BMW GROUP und zuständig für Konzernkommunikation und Politik. Im Interview sprechen wir mit ihr über Wasserstofftechnologie, Klimaneutralität sowie Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft.

Welche Vorteile und Nachteile sehen Sie in der Verwendung der Wasserstofftechnologie im Zusammenhang mit der Klimaneutralität und der Wirtschaftlichkeit?

Julia Jung: Die BMW Group hat sich klar dem Pariser Klimaabkommen verpflichtet. Schon bis 2030 wollen wir den gesamten CO2 Ausstoß unserer Fahrzeuge über den Lebenszyklus in Summe um mehr als 200 Mt reduzieren. Und das erstmalig über den gesamten Lebenszyklus – von der Lieferkette über die Produktion bis zum Ende der Nutzungsphase. Das bedeutet eine Senkung um mindestens ein Drittel je Fahrzeug. In der Nutzungsphase allein sollen die CO2-Emissionen um 40 Prozent je gefahrenem Kilometer reduziert werden. Zentraler Hebel ist ein massiver Ausbau der E-Mobilität. Hier kann die Wasserstofftechnologie als elektrische Antriebsform einen Beitrag leisten. Ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist der Einsatz der Technologie allerdings nur dann, wenn Wasserstoff langfristig mittels erneuerbarer Energien hergestellt und gespeichert wird und für den Einsatz im Verkehrssektor in relevanten Mengen und zu wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung steht. Insgesamt stehen wir vor einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, die durch verschiedenste politische Initiativen und Aufbauprogramme vorangetrieben wird. Allein Deutschland und Frankreich investieren zusammen 16 Mrd. Euro in die Entwicklung der Wasserstofftechnologie. Wir begrüßen die Initiative des Bundeministeriums für Verkehr und Digitale Infrastruktur, grünen Wasserstoff künftig auch für Pkw zu unterstützen.

In den USA und China wird der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft konsequent vorangetrieben. Wie kommt es, dass Europa sich damit bislang so viel Zeit gelassen hat?

Julia Jung: Die Europäische Union und die Bundesregierung haben mit dem Green Deal, Next Generation EU und der nationalen Wasserstoffstrategie den grünen Wasserstoff bereits in den Fokus genommen. Diese Entscheidungen sind richtungsweisend. Im Rahmen des IPCEI (Important Projects of European Interest) und der ECH2A (European Clean Hydrogen Alliance) werden bereits zahlreiche Projekte auf den Weg gebracht. Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ziehen hier spürbar an einem Strang. Mit dem Green Deal Gesetzes-Paket „Fit for 55“ soll außerdem eine verbindliche Basisinfrastruktur mit 700 bar Wasserstoff-Tankstellen alle 150 Kilometer aufgebaut werden. Die Umsetzung erfolgt europaweit in allen Mitgliedsstaaten. 

Die Wasserstoff-Technologie gilt als „die“ klimafreundliche Energienutzung. Wie kommt es, dass sich die Technologie in der Automobilindustrie nicht durchsetzen konnte, sondern die Nutzung von Batterien sich durchgesetzt hat?

Julia Jung: Wir beschäftigen uns bei der BMW Group bereits seit mehr als 40 Jahren mit der Wasserstofftechnologie und für uns ist ein Mix von batterieelektrischen und Wasserstoff-elektrischen Antriebstechnologien eine sinnvolle Option. Als Premium-Hersteller verkaufen wir weltweit Fahrzeuge an Kunden mit unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnissen. Vor allem im Hinblick auf die Ladeinfrastruktur und die Netzstabilität halten wir eine Diversifizierung der verschiedenen Zero-Emission-Antriebe für richtig. Gerade in Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte oder hohen Belastungen im Verkehrsaufkommen ist die Verfügbarkeit einer ausreichenden Zahl an Ladepunkten eine Herausforderung. Ein unabhängiger und innovativer Technologiepfad wie die Wasserstoff-Technologie bietet hier große Chancen zur CO2-Reduktion.

Welche Vor- und Nachteile sehen Sie in der Nutzung eines Wasserstoffantriebs?

Julia Jung: Wie unsere batterieelektrischen Fahrzeuge ist ein Wasserstoff-Brennstoffzellen-Fahrzeug ein lokal emissionsfreies, elektrisches Fahrzeug. Der Hauptunterschied liegt im Energiespeicher. Der größte Vorteil ist die Möglichkeit, den Tank binnen drei bis vier Minuten wieder aufzufüllen, was dem Kunden eine hohe Flexibilität bietet. Die Fahrzeuge eignen sich außerdem für Kunden, die häufig Langstrecke fahren, schwere Lasten transportieren oder keinen regelmäßigen Zugang zu elektrischer Ladeinfrastruktur haben.

Grundsätzlich ist die Well-to-wheel Effizienz eines Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antriebs niedriger als beim batterieelektrischen Antrieb – vor allem aufgrund der nötigen Umwandlungsschritte bei der Erzeugung von Wasserstoff aus Strom und umgekehrt. Mit batterieelektrischen Antrieben kann aktuell mehr grüne Energie auf die Straße gebracht werden, als mit Brennstoffzell-betriebenen.

Vielfach kritisiert wird die große Menge an Strom, die für die Gewinnung von Wasserstoff notwendig ist. Es gibt zwar alternative Möglichkeiten zur „grünen“ Stromgewinnung. Doch inwieweit steht diese für die Wasserstoffgewinnung zur Verfügung?

Julia Jung: Wasserstoff ist eine der effizientesten Möglichkeiten, erneuerbare Energie zu speichern und zu transportieren und spielt daher eine wichtige Rolle bei der Energiewende. Das trifft insbesondere auf Länder und Regionen zu, die ihren Energiebedarf aufgrund der geographischen Voraussetzungen nicht vollständig selbst über erneuerbare Energien decken können. Weltweit sind bereits zahlreiche Projekte zur Produktion von klimafreundlichem Wasserstoff aufgesetzt. Eine Übersicht dieser Projekte wird beispielsweise regelmäßig vom Hydrogen Council veröffentlicht. Die flächige Anwendung im Pkw-Bereich ist abhängig von der Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff in den einzelnen Märkten.

Das EU-Parlament fordert den schrittweisen, aber schnellen Ausstieg aus fossilem Wasserstoff. Dafür muss auf andere klimafreundliche Stromgewinnungsmöglichkeiten zugegriffen werden. Wie schnell und in welchem Umfang schätzen Sie, wird dies möglich sein?

Julia Jung: Die EU hat hierzu die „2×40 GW“ Initiative gestartet. Die konkrete Umsetzung erfolgt unter anderem im Rahmen des IPCEI (Important Projects of European Interest) und der ECH2A (European Clean Hydrogen Alliance).  „Hydrogen Europe“ koordiniert diese Aktivitäten sehr erfolgreich. Das Ziel ist es, die Produktionskapazitäten und die Anwendungen synchron hochzufahren. Dadurch entsteht eine marktwirtschaftlich tragfähige Wasserstoffwirtschaft. Zudem soll dies mittelfristig durch ein europäisches Wasserstoff-Verteilnetz und den Import von Wasserstoff ergänzt werden.

Frau Jung, vielen Dank für das Gespräch!

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