Wolfram Axthelm: Deutschland ist Trendsetter bei Erneuerbaren Energien

Interview mit Wolfram Axthelm
Wolfram Axthelm ist Geschäftsführer Bundesverband WindEnergie e.V. in Berlin. Mit ihm sprechen wir über Energiewende, Atomausstieg sowie höhere Klimaziele.

Wind, Sonne und andere erneuerbare Energien haben 2020 rund 43% des deutschen Energiebedarfs gedeckt. Müssen wir um die Energiewende fürchten oder sie gar vertagen?

Wolfram Axthelm: Die Energiewende ist auf Kurs. Sie lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Der Atomausstieg wird 2022 abgeschlossen. Der Kohleausstieg ist für 2038 beschlossen, wird aber sicher wirtschaftlich getrieben deutlich vorgezogen. Hier wirkt die starke Nachfrage der Industrie nach Erneuerbarem Strom und die Bepreisung des Klimakillers CO2 als Beschleuniger.

Berechnungen des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) zeigen, dass die Windenergie flächenübergreifend um rund 20% eingebüßt hat. Liegt es an der Natur, Politik oder fehlender Technik?

Wolfram Axthelm: Die Windjahre sind unterschiedlich. Das erste Halbjahr 2021 ist in der Tat ein schlechtes Jahr. Diese natürlichen Schwankungen gilt es durch einen breiten Technologiemix auszugleichen. Deshalb sind neben den beiden Masseträgern Wind- und Solarenergie auch Bioenergie, Geothermie und Wasserkraft wichtig.

Die Politik hat in den vergangenen Jahren beim Zubau stark gebremst. In den Ländern fehlte es an Flächen, dauern Genehmigungsverfahren immer länger und gilt es beim Artenschutz einen Ausgleich zu erreichen. Der Bund hat neue Ziele nicht mit konkreten Maßnahmen unterlegt. Die von Peter Altmaier im Oktober 2019 vorgelegte Aufgabenliste hat viele Maßnahmen konkret benannt. Nicht einmal die Hälfte davon ist allerdings umgesetzt. Jetzt muss die nächste Bundesregierung handeln.

Die Politik hat die höheren Klimaziele beschlossen, aber können sie überhaupt erreicht werden, angesichts rückläufiger Ausbauzahlen beim Wind?

Wolfram Axthelm: Seit den einstimmigen Beschlüssen von Bundestag und Bundesrat zum Pariser Klimaabkommen im Jahr 2016 fehlt eine Übersetzung in den deutschen Rechtsrahmen. Während der Zubau der Windenergie an Land in den Jahren 2014 bis 2017 durchschnittlich 4.500 Megawatt das Pariser Klimaabkommen erreichbar machten, brachte der Zubau ab 2018 durch die politisch erzwungene Deckelung auf ein Ausschreibungsvolumen von 2.800 Megawatt ein. 2019 und 2020 waren die schlechtesten Jahre bei Zubau der Windenergie. In diesem Jahr geht es von einem niedrigen Niveau aufwärts. Wir erwarten im Jahresende 2.00 bis 2.400 Megawatt neu installierte Leistung. Notwendig wäre das Doppelte. Hier muss die nächste Bundesregierung sofort handeln, um die Klimaziele 2030 zu erreichen und die wachsende Nachfrage der Industrie nach Erneuerbaren Strom abzudecken.

Den Auftrag dazu hat auch das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss zum Klimaschutzgesetz sehr deutlich unterstrichen.

Was muss bei der Stromerzeugung geschehen, um das höhere CO2-Einsparziel zu erreichen?

Wolfram Axthelm: Wir brauchen über alle erneuerbaren Technologien einen starken Zubau. Wind an Land, Offshore und Fotovoltaik an erster Stelle. Bei der Bioenergie braucht es eine Stabilisierung der installierten Leistung und eine Flexibilisierung der Anlagen. Geothermie wird für den Einstieg in die Erneuerbare Wärme dringend erforderlich. Und auch die Wasserkraft muss ihre Potenziale beisteuern dürfen.

Was sind die Trends bei erneuerbaren Energien? Wohin geht die Zukunft?

Wolfram Axthelm: Erneuerbare Energien werden in wenigen Jahren die moderne Energiewirtschaft vollständig tragen. Die Anlagentechnologie sorgt weiter für Effizienzgewinne. Die Digitalisierung und der zunehmende Einsatz Künstlicher Intelligenz hilft es, fluktuierende Erzeugung und den schon immer fluktuierenden Verbrauch in einen Ausgleich zu bringen. Der Einstieg in Grünen Wasserstoff wird nicht nur die Dekarbonisierung der Industrie sicherstellen, sondern auch als Speicher die Versorgungssicherheit gewährleisten. Deutschland ist bereits Trendsetter bei Erneuerbaren Energien wie bei der Netzintegration dieser. Die Erschließung der Bereiche Mobilität, Wärme und Industrie für Erneuerbare Energien wird weitere Innovationsschübe auslösen und Deutschland einen Standortvorteil verschaffen.

Herr Axthelm, vielen Dank für das Gespräch!

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