Aktiv verwalteter Fonds kann in Krisenzeiten das Schlimmste verhindern – Dr. Tobias Sudmann (ERGO)

Interview mit Dr. Tobias Sudmann
Dr. Tobias Sudmann ist Leiter Angebotsmanagement Investmentprodukte bei der ERGO Group AG. Im Interview spricht er über die Grundlagen der privaten Altersvorsorge, Aktieninvestments und die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Versicherungsbranche.

Die gesetzliche Rente ist nicht sicher, um im Alter sorgenfrei zu leben. Gut für denjenigen, der etwas angespart hat. Wie viel sollte es Ihrer Meinung nach bis 65+ sein?

Dr. Tobias Sudmann: Während die gesetzliche Rente ein Baustein in der Altersvorsorge ist, reicht das Rentenniveau für die meisten Menschen nicht aus, um den gleichen Lebensstandard wie vor der Verrentung zu führen. Dies ist die vielbesagte Rentenlücke. Um diese Lücke zu schließen, ist eine private Altersvorsorge unerlässlich. Wenn Sie also nach der Menge fragen, die angespart werden sollte, dann fragen Sie letztlich nach der Größe der Rentenlücke, denn diese legt das notwendige Sparziel fest. Man muss also von der Zukunft zurückrechnen. Dabei ist die Rentenlücke stets individuell, denn sie hängt vom Einkommen zum Zeitpunkt der Verrentung ab und den dann vorhandenen gesetzlichen Rentenansprüchen. Es ist bereits heute absehbar, dass die Lücke stetig größer wird – bedingt durch eine immer schneller alternde Gesellschaft und einem damit verbundenen stetig sinkenden Rentenniveau. Dies macht die private Altersvorsorge zum absoluten Muss.

Was ist Ihre Meinung zu Aktien?

Dr. Tobias Sudmann: Aktien sind ein wesentlicher Bestandteil einer langfristen Vermögensstrategie und insbesondere für den Vermögensaufbau wichtig. Unserer Meinung nach sollten Aktien Bestandteil jedes langfristig ausgerichteten Depots sein. Gerade jüngere Anleger profitieren über lange Zeiträume vom enormen Wachstumspotenzial von Aktienanlagen. In der aktuellen Niedrigzinsphase kommt ihnen noch eine weitere wichtige Bedeutung zu, denn klassische Anlageformen wie Rentenpapiere werfen zu weiten Teilen nur noch sehr geringe oder sogar negative Renditen ab. Vor diesem Hintergrund gibt es aktuell keine wirklichen Alternativen zu Aktien. Aber wie in allen Bereichen der Geldanlage gilt auch hier, dass man nicht alles auf eine Karte setzen sollte. Eine Aktienanlage sollte stets gestreut erfolgen und sich nicht auf einige wenige Einzeltitel fokussieren, wie das Beispiel von Wirecard einmal mehr zeigt. Die beste Art in Aktien anzulegen ist daher ein diversifizierter Fonds, der die Anlage auf eine Vielzahl von Titeln streut und so das Risiko einzelner negativer Ereignisse für die Gesamtanlage reduziert. Wir bei ERGO Investmentprodukte bieten daher ausschließlich breit diversifizierte Investmentfonds an.

Welche Anlageklasse würden Sie Menschen empfehlen, die ins Berufsleben einsteigen?

Dr. Tobias Sudmann: Diese Empfehlung hängt stark vom Anlagehorizont, Anlageziel und der persönlichen Risikoneigung ab. Wer frisch ins Berufsleben einsteigt, denkt häufig nicht über die Altersvorsorge nach – schließlich ist die Verrentung ja noch Jahrzehnte entfernt. Dabei ist das Sparen über die Geldanlage gerade für junge Menschen besonders attraktiv, da sie eine lange Zeit vom Zinseszinseffekt profitieren können. Anhand eines kleinen Rechenbeispiels lässt sich der Effekt anschaulich darstellen. Bei einer monatlichen Sparrate von 50 Euro und einer Rendite von 5 % jährlich bekommt eine 22-jährige Berufseinsteigerin zum Renteneintritt 102.000 Euro. Fängt sie hingegen erst mit 30 an, sind es 64.000 Euro. Das sind fast 60 % mehr Kapital bei nur etwas mehr als 20 % längerer Spardauer. Daher gilt: je früher man anfängt zu sparen, desto besser. Und da es sich bei einer solchen Anlage um ein sehr langfristiges Investment handelt, eignen sich breit gestreute Aktienanlagen besonders gut, zum Beispiel in Form eines aktiv verwalteten Aktien- oder Mischfonds. Denn über lange Zeiträume durchläuft die eigene Kapitalanlage unweigerlich mehrere Konjunkturzyklen und damit andauernde Auf- und Abwärtsbewegungen an den Kapitalmärkten. Nur ein aktiv verwalteter Fonds kann bei Abwärtsbewegungen sinnvoll reagieren und in Krisenzeiten das Schlimmste verhindern.

An welchen Werten messen Sie sich und Ihr Unternehmen?

Dr. Tobias Sudmann: Unser Ziel bei ERGO ist nachhaltiges Wirtschaften. Wir versichern Menschen und Unternehmen für die Zukunft und orientieren uns dabei an internationalen Rahmenwerken wie den Principles for Responsible Investments und dem UN Global Compact. Dies spiegelt sich auch in unseren Produkten wider. Mit Sachversicherungen, die Umweltaspekte berücksichtigen, der Deckung für Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien und nachhaltigen Fonds für private Altersvorsorge und Vermögensbildung bieten wir eine breite Palette an nachhaltigen Versicherungsprodukten an. Dies gilt auch für unsere Kapitalanlagen. Bei deren Auswahl orientieren wir uns unter anderem an den nachhaltigen Kriterien anerkannter externer Finanzexperten wie der MSCI.

Glauben Sie, dass sich Insolvenzen in Ihrer Branche Corona-bedingt häufen werden?

Dr. Tobias Sudmann: Durch die Corona-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen des öffentlichen Lebens sind viele Unternehmen in Bedrängnis geraten, vor allem aber solche, die direkt durch geringere Konsumausgaben getroffen sind. Dazu gehören etwa die Reisebranche oder auch Automobilhersteller und deren Zulieferer. Als Versicherung sind wir hiervon nicht unmittelbar betroffen, schließlich braucht man auch in Krisenzeiten eine gute Absicherung. Und vielleicht wird einigen in diesen Zeiten auch klar, wie wichtig eine solche Absicherung ist und dass diese eventuell bisher gefehlt hat. Insofern gehe ich nicht davon aus, dass es zu systematischen Insolvenzen in der Versicherungsbranche kommen wird.

Wie haben Sie die Pandemie erlebt?

Dr. Tobias Sudmann: Für mich persönlich ist die Pandemie natürlich ein einschneidendes Erlebnis. Zum einen durch die vielen Einschränkungen im Privatleben aber auch angesichts der globalen gesundheitlichen, ökonomischen und sozialen Folgen. Beruflich habe ich die Pandemie aber auch als eine Zeit des Zusammenhalts erlebt. Während der Höhepunkt der Pandemie im März und April eine schwierige Zeit für uns alle war, war ich überwältigt und begeistert von der Art und Weise wie unsere Mitarbeiter, unsere Organisation und unsere Partner als Ganzes mit der Umstellung unserer Arbeitsweise in kürzester Zeit umgegangen sind. An dieser Stelle möchte ich nochmals ein großes Lob an alle meine Mitarbeiter aussprechen, die selbst in diesen sehr schwierigen Zeiten ihr Bestes gegeben haben, um gemeinsam den negativen Einfluss der Pandemie so gering wie möglich zu halten. So konnten wir zusammen schnelle, einfache und unbürokratische Lösungen für viele Probleme unserer Kunden und Partner finden, und haben uns in kürzester Zeit in der neuen Normalität zurechtgefunden.

Herr Dr. Tobias Sudmann, vielen Dank für das Gespräch.

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